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Andreas Uebele ist Grafikdesigner und studierter Architekt. Sein Unternehmen »Büro Uebele« realisiert vor allem Corporate Identities und Orientierungssysteme in der ganzen Welt. Er ist außerdem Professor für Visuelle Kommunikation an der FH Düsseldorf. Das Interview führten wir persönlich in Düsseldorf.

Andreas Uebele –
Orientierungssysteme U – AU

Gibt es für Sie einen Unterschied zwischen Orientierungssystem und Leitsystem oder bevorzugen Sie einfach nur den Begriff Orientierungssystem?

Ja, das ist etwas komplett Anderes. Der Begriff »Leitsystem« ist schwierig und das hab ich von Anton Stankowski übernommen. Er hat mal geschrieben, dass das Orientierungssystem das bessere Wort ist. Orientieren ist ein reflexives Verb. Ich kann mich orientieren, aber ich kann Sie nicht orientieren. Das eine ist aktiv, das andere ist passiv. Wenn ich ein Orientierungssystem mache, mache ich ein Angebot, an dem sich ein anderer orientieren kann und bei einem Leitsystem leite ich jemanden, das heißt, ich sage, wo es langgeht. Das ist ein ganz anderes Denken. Gestern kam im Radio ein Feature von einer Deutschen, die über Framing in Amerika lehrt. Beispielsweise das Wort Arbeitgeber und Arbeitnehmer: der eine gibt, der andere nimmt – schon entsteht etwas Negatives. Wenn man das umdreht, Leistungserbringer und Leistungsnehmer, dann ist das plötzlich umgekehrt. Bei Orientierungssystemen und Leitsystemen ist das genauso. Leiten ist aktiv, ich führe dich. Im Deutschen ist das Wort zusätzlich noch ein bisschen belastet: »Führer, befiehl, wir folgen«. Vielleicht hängt das auch ein bisschen damit zusammen, aber über dieses Leiten gebe ich einen Weg vor und durch das Orientieren mache ich ein Angebot. Ich kann es annehmen, muss es aber nicht. Deswegen, finde ich, ist es das viel bessere Wort. Orientierung kommt aus dem Orient, also ich orientiere mich wohin. Es ist auch das schönere Wort – es ist breiter.

Wir würden gerne bei den Basics beginnen. Wie geht man vor, wenn man den Auftrag erhält, ein Orientierungssystem zu entwerfen? Was sind die ersten Schritte, die man macht? Gibt es hierfür bestimmte Vorgehensweisen oder ist das jedes Mal ein neuer Ansatz?

Erst einmal gucken wir uns die Aufgabe an. Ist es ein Krankenhaus, ein Flughafen? Ist es ein Geschäftshaus, ist es ein Park? Was hat diese Aufgabe für spezielle Features? Ist es jetzt eine Konzernzentrale eines Einzelhändlers oder die eine Versicherung oder ist es für ein Sportunternehmen oder für einen Automobilhersteller? Für jeden Auftrag gibt es ganz andere Bedingungen. Wir machen gerade für einen Sportwagenbauer aus Stuttgart ein Orientierungssystem. Da kommen dann Lieferwagen und LKWs, Tore müssen gekennzeichnet werden. Dann hast du auch noch Publikumsverkehr, der berücksichtig werden muss, wie z. B. im Krankenhaus. Wir haben mal für ein Krankenhaus das Leitsystem gemacht. Da gibt es einen hohen Anteil von Leuten, die Analphabeten sind. Dann haben wir einen hohen Anteil von Leuten, die kein Deutsch können. Dann muss ganz anders darauf reagiert werden. Wer bewegt sich da? Wer nutzt es? Das ist mal das Erste. Das Zweite sind ganz einfache Dinge. Wie flexibel muss es sein? Wie lang muss es sein? Wie flexibel muss ich Informationen anbieten können? Sind es infrastrukturelle Ziele oder muss ich das wechseln können? Sprache ist ein Problem. Ist es deutsch und englisch oder ist es nur deutsch? Man muss sich über Worte und Begrifflichkeiten Gedanken machen. Dann gucken wir uns immer die Pläne an; also Lagepläne, Schnitte, Grundrisse, Ansichten. Das sind die Hard Facts. Dann kommen Kosten und Termine natürlich ins Spiel und dann gibt es die Software. Die Software ist „Was ist das Unternehmen?“ Wie können wir das jetzt passend machen für die Architektur, für das Unternehmen oder für den Ort? Das ist eigentlich der viel wichtigere, größere Teil, dass es eben etwas ist, was stimmig ist – Branding. Also bei Adidas war es ihnen immer wichtig, dass wir die Gebäude branden, dass da der markentypische Duft in das Gebäude kommt. Wir haben zwei Orientierungssysteme für zwei Gebäude gemacht und da war es jedes Mal so, dass es Adidas wichtig war, die Marke im Raum erleben zu können. Dann musst du darauf reagieren – die Software – wie kommuniziere ich jetzt das Unternehmen oder was mache ich da jetzt typisches, dass es zum Unternehmen passt oder zu dem Ort oder in die Architektur integriert wird? So, das ist jetzt mal sehr allgemein zusammengefasst.

Sie sprachen davon, dass man auch auf die Architektur und natürlich auch auf die Marke eingeht. Versucht man am Schluss einen Kompromiss zu schließen oder entscheidet man sich für eine Variante? Entweder orientiert man sich an der Marke oder aber am Gebäude.

Beides. Beides. Bei dem Laces-Gebäude für Adidas haben wir sehr mit der Architektur gearbeitet, aber auch ganz spitz auf die Marke Adidas reagiert: Sport, aber welchen? Mannschaftssport, Einzelsport, Gruppensport, Paarsport? Wir haben uns gefragt, was das Gemeinsame dieses Sports ist. Bewegung – das ist der Kern, die Seele des Unternehmens. Sport bedeutet sich bewegen, also bewegte Typografie.

Sie sagten gerade, man reagiert auf die Architektur oder tut es nicht, wenn diese gut ist. Bei uns kam der Gedanke auf, inwiefern man die Architektur mit einem Orientierungssystem ergänzt.

Ja, das ist auch gut.