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Dr. Birgit Wetzel arbeitet als freie Journalistin im In- und Ausland. Ihre Beiträge erscheinen im TV, Rundfunk und Print. Ihr Themenschwerpunkt liegt dabei auf Osteuropa, dem Kaukasus und Zentralasien. Das Interview führten wir mittels Videotelefonat.

Dr. Birgit Wetzel –
Journalismus W – BW

Wie verläuft für eine freie Journalistin die Informationsbeschaffung und inwiefern hat sich die Recherche dazu durch die neuen Medien und Technologien verändert?

Sehr! Die Informationsbeschaffung ist ja heute super einfach, einfach weil es so viele zugängliche Informationen gibt. Das Problem dabei ist, dass bei den Informationen, die man bekommt – wenn man authentisch arbeitet – man sehr genau gucken muss, wie groß der Wahrheitsgehalt ist. Ich arbeite daher relativ wenig mit Internet. Klar, ich gucke eigentlich immer zur Vorinformation ins Internet, aber ich lese das immer sehr kritisch, mache immer ganz viele Fragezeichen im Kopf und gucke dann wirklich bei den Originalquellen. Das Problem ist, dass diese Arbeit bei freien Journalisten praktisch überhaupt nicht bezahlt wird. Das ist eben ein Problem der Bezahlung und deshalb ist auch der Journalismus, der sich authentisch mit Dingen befasst, fast tot.

Heutzutage lagern die größeren Medienhäuser, also sowohl Nachrichtensender wie auch Zeitungen, immer mehr ihre Aufträge an freie Journalisten aus. Ist dieses Vorgehen etwas Positives, da man dadurch mehr Leute aus den entsprechenden Fachgebieten beauftragen kann, oder ist es eher so, dass die Medienhäuser es damit umgehen, eben diese Experten fest einzustellen und dementsprechend auch ansprechend zu bezahlen?

Ich glaube letzteres ist genau der Fall. Das ist schlichtweg das Sich-freimachen von sozialen Kosten, Sich-freimachen von Überprüfung einiger Dinge. Also im Grunde genommen ist es so, dass dadurch der Informationsgehalt in den Medien ganz gewaltig gesunken ist. Die meisten freien Journalisten können von dem, was sie allein im Journalismus einnehmen, nicht mehr leben, auch wenn sie für ganz viele unterschiedliche Medien die Informationen besorgen. Wir hatten jetzt gerade vor drei oder vier Wochen im Presseclub in Hamburg eine große Versammlung, wo auch zwei Leute aus dem Medien-Agenturbereich sagten, wie prima das wäre, dass es so viele freie Journalisten gibt, die alle ihre Fachrichtungen haben. Daraufhin kam die Frage auf, wer von den freien Journalisten überhaupt von den Aufträgen, die ihn erreichen, leben kann und es hat sich kaum jemand gemeldet. Gerade bei den Printmedien haben ganz viele damit Probleme. Bei dem Hörfunk ist es eigentlich nicht so groß, aber aus meiner Sicht haben sie beim Fernsehen ein Verteilungsproblem. Dort haben sie ganz enorme Kosten durch die ganze Technik, die sie immer mitschleppen müssen, die sich ganz krass gewandelt hat und es auch immer noch tut, sodass auch neu angeschaffte Sachen eben nicht mehr lange wirklich tauglich sind, weil es dann wieder Besseres und Neues gibt. Diese digitale Revolution hat sicher dazu viel beigetragen, dass Fachjournalisten nicht mehr so bezahlt werden, aber das ist es eben nicht allein, sondern es ist auch immer die Entscheidung der Medienhäuser. Findet man es wichtiger, dass Inhalte gut rübergebracht werden oder findet man es wichtiger, dass Zeilen und Minuten gefüllt werden?

Wir haben uns gefragt, inwiefern es ein Segen oder ein Fluch ist, freie Journalistin zu sein. Einerseits hat man ja sozusagen die Option wirklich gezielt darüber zu berichten, was das eigene Themen- bzw. auch Interessensfeld ist und in dem man besonders qualifiziert ist, aber gleichzeitig haben wir uns auch gefragt, inwiefern man dann dazu geleitet wird, Dinge zu schreiben, die sich verkaufen, einfach um das eigene Einkommen zu sichern?

Ja, das ist eine absolut berechtigte Frage. Ich glaube, dass viele Kolleginnen und Kollegen nicht sehr gut kalkulieren. Ich glaube, dass man als freie Journalistin wirklich nur klarkommen kann, wenn man eine gute Mischkalkulation macht, das heißt, wenn man irgendwo ein gewisses Grundrauschen hat, wie es so schön heißt – und gleichzeitig noch andere Dinge macht von denen man sagt, das sind Themen, die wichtig sind.