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Jérôme Knebusch ist Type-Designer. Außerdem arbeitet er als Gestalter. Er lehrt in den Bereichen visuelle Kunst, Grafikdesign, Editorialdesign und Schriftdesign an der Lorraine School of Fine Arts in Metz und am National Institute for Typographic Research in Nancy. Das Interview führten wir zu Teilen bei einem Workshop in Mainz und per E-Mail.

Jérôme Knebusch –
Typografie K – JKn

Kann Typografie eigenständig vom Inhalt kommunizieren? Wenn ja, auf welche Weise geschieht dies?

Robert Bringhurst hat Typografie mal als „feste Sprache“ definiert („Typography is solid language“). Das bedeutet, dass sie Intonationen visuell umsetzt – man könnte sagen, sie ist ein Abbild der Sprache. Typografie kommuniziert mit dem Inhalt, idealerweise verstärkt sie ihn, kann ihm aber auch bewusst widersprechen. Wie auch in der Sprache, kann dies viele Formen annehmen, von dezent bis laut, von unbewusst bis anstoßend.

Gibt es überhaupt „neutrale“ Schrift?

Es gibt Schriften die sich neutral in einem bestimmten Kontext verhalten. Heute werden hierfür häufig Grotesk-Schriften herangezogen. Die allerdings wurden zur Zeit ihrer Entstehung als erstaunlich wahrgenommen, sogar als anstößig empfunden. Daher erhielten sie ihren Namen. Es ist genau diese, die gleiche bzw. selbe Form, die heute anders wahrgenommen wird und oft mit Neutralität gleichgesetzt wird. Was wir als neutral empfinden – vielleicht sollte man besser „normal“ sagen – hängt also stark von unseren Gewohnheiten ab. Ferner ist auch Normalität bzw. Neutralität eine Haltung und somit auch eine Ausdrucksform.

Sind Schriften ein Abbild ihrer Zeit?

Ja, ganz klar, wie alle Dinge, die wir gestalten. Auch wenn Typografie ein herrliches Potential besitzt der Zeit zu widerstreben, ist sie dennoch ihr Abbild.

Du arbeitest auch als Schriftgestalter – plant man die Eigenschaften einer Schrift vor deren Gestaltung?

Der kreative Prozess ist recht unterschiedlich. Man geht manche Aufgaben auch intuitiv an und gestaltet erst einmal drauflos, bis einen die Planung wieder einholt. Peter Bilak hat kürzlich Brian Eno zitiert. Er teilte Typografen in zwei grundlegende Haltungen ein, die des Gärtners und die des Architekten. Bei dem einen entstehen die Dinge organisch, sie wachsen unterschiedlich, während beim anderen ein Plan die Abläufe diktiert. Es wird sozusagen „von oben herab“ gestaltet. Ich persönlich glaube an eine gute Mischung von Planung und Intuition, auch weil ich beiden misstraue.