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Christoph Bangert ist freier Fotojournalist. Als Fotograf war er in vielen Krisengebieten unterwegs, unter anderem in Afghanistan, Palä stina, Darfur und Pakistan. Zudem ist er als Lehrbeauftragter in Dortmund tätig. Er publiziert regelmäßig in diversen internationalen Tageszeitungen und Magazinen. Das Interview führten wir per Videotelefonat.

Christoph Bangert –
Fotografie B – CB

Warum und wie bist du Kriegsfotograf geworden?

Mein Werdegang ist eher ungewöhnlich. Begonnen hat es mit einem Studentenaustausch im Jahr 2001. Damals hat mich ein wahnsinnig mutiger Professor zusammen mit einer Kommilitonin nach Palästina geschickt. Wir waren dort also zu zweit und durften drei Wochen nach Jerusalem. Wir haben bei israelischen Familien gelebt. Tagsüber war ich immer bei den Palästinensern unterwegs, im Gaza-Streifen und Westjordanland. Das hat mich unheimlich gereizt, da ich schon immer Interesse an politischen Ereignissen hatte. Es war ein großes Glück für mich vor Ort zu sein, und die politische Situation dort ansehen und dokumentieren zu können. Mit meinem deutschen Pass konnte ich mich dort frei bewegen und konnte beide Seiten – Israelis und Palästinenser – besuchen. Dieses hin und her, diese eigene Erfahrung, das hat mich sehr gereizt. Dort entstand meine erste Reportage. Ich war damals im dritten Semester, 23 Jahre alt. Das war der Einstieg. Von da an hat es sich dann immer weiterentwickelt. Ich habe weiter an meiner Mappe gearbeitet und mich wieder und wieder bei Redaktionen vorgestellt. Mein Studium habe ich daraufhin nach New York verlagert und dort abgeschlossen. Danach habe ich mich dann wieder bei Redaktionen vorgestellt, bis endlich eine Redaktion ein Einsehen hatte und mir einen Auftrag gegeben hat. Für die New York Times bin ich in den Irak gegangen. Da konnte ich viel mit schreibenden Kollegen zusammenarbeiten und viel von Ihnen lernen. Das Risiko, was die New York Times dadurch eingegangen ist, dass sie einen relativ jungen und unerfahrenen Fotografen losgeschickt hat, hat sich dann für beide Seiten ausbezahlt. Ab diesem Moment habe ich viel im Irak, viel in Afghanistan gearbeitet. Unter anderem für zahlreiche, unterschiedliche Zeitungen und Magazine, wie die New York Times, dem Stern und die Neue Zürcher Zeitung. In den letzten zwei, drei Jahren war ich nicht mehr in Kriegsgebieten unterwegs. Ich arbeite seitdem viel an Büchern, halte Vorträge und bin seit letztem Jahr in der Lehre tätig. Nebenbei beschäftige ich mich mit einem Langzeitprojekt über die Atomkatastrophe in Fukushima. Ich befasse mich also nach wie vor mit politisch aktuellen aber auch schwierigen Themen.

Das ist eine Entscheidung, die man irgendwann treffen muss.

Die Gefahren denen man ausgesetzt ist, sind natürlich auch ein Problem meines Berufs, das Hauptproblem ist jedoch die viele Reiserei. Man ist permanent unterwegs. Es gab Jahre, in denen ich nur zwei Monate zu Hause war. Das ist mit einer Familie natürlich nicht möglich. Das Problem sind also weniger die Risiken, als viel mehr die Internationalität. Man muss permanent unterwegs sein. Es ist natürlich eine tolle Arbeit, die ich viele Jahre sehr gerne gemacht habe, es passt aber nicht mehr wirklich zu meinem Familienleben.

Wie ist der Ablauf vor Ort? Wie entsteht eines deiner Bilder? Wie kann man sich das vorstellen?

Ganz wichtig ist, dass die meisten Bilder aus Kriegsgebieten von einheimischen Fotografen gemacht werden. Es sind also Journalisten vor Ort. Diese Menschen sind die wahren Helden an der Geschichte. Man sollte sie für ihre sehr mutige Arbeit sehr respektieren. Ich bin als Kriegsfotograf also eher eine Ausnahme. Wir arbeiten immer im Team. Es sind schreibende Kollegen dabei und einheimische Übersetzter, Fahrer und Journalisten. Das ist ganz entscheidend, denn oft ist dies nötig, da man die Sprache selber nicht spricht. Selbst wenn man die Sprache sprechen würde, bräuchte man die Leute vor Ort, um die Situation dort besser zu verstehen. So sind wir dann unterwegs. Wir arbeiten an Geschichten für Tageszeitungen oder Magazine und versuchen, gemeinsam Geschichten zu suchen, zu erzählen und sie daraufhin zu veröffentlichen. Es findet immer eine gemeinsame Veröffentlichung von Text und Bild statt. Diesen Kontext brauchen die Bilder auch.

Also sind Worte nötig, um das Bild zu erklären?

Ja, das ist ganz wichtig. Bilder können nicht für sich alleine stehen. Man sagt zwar immer: »ein Bild sagt mehr als tausend Worte«, dennoch brauchen die Bilder immer einen Kontext. Dieser Kontext kann natürlich auch aus anderen Bildern bestehen. Ein Bild, das alleine steht, ohne Kontext, ohne Begleittext, das funktioniert nicht. Die Fotografie ist ein sehr offenes Medium. Jeder Bildbetrachter projiziert die eigenen Vorstellungen in ein Bild hinein, die eigenen Erfahrungen, Vorurteile. Deswegen ist es so besonders wichtig, dass ein Kontext hergestellt wird. Die Fotografie braucht keine Erklärung, es ist nur wichtig, dass ein Zusammenhang hergestellt wird. Sie braucht einen gewissen Rahmen, damit sie noch stärker wird und damit sie noch sinnvoller eingesetzt werden kann. Die Fotos selber werden zwar sehr schnell wahrgenommen – die Kommunikation über Bilder funktioniert rasend schnell – und zu meist auf einer emotionalen Ebene. Wir schauen uns Artikel an, sei es in einer Zeitschrift oder auch online, und schauen zunächst auf das Bild. Es dauert nicht mal Sekunden, bis wir eine emotionale Reaktion auf das Bild aufgebaut haben. Dann muss der Leser allerdings auch den zweiten Schritt machen und nachdenken, reflektieren. An diesem Punkt hilft dann der Text, der neben der emotionalen Ebene des Bildes auch Fakten, Namen und Hintergründe liefert, die das Bild nicht liefern kann.