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Michael Feindler ist Dichter und Kabarettist. Er studierte Politikwissenschaften und Publizistik an der Freien Universität Berlin. Zur Zeit ist er mit seinem dritten Programm in Deutschland unterwegs. Das Gespräch führten wir telefonisch.

Michael Feindler –
Kabarett F – MFe

Schön, dass du bereit bist, uns einige Fragen zu beantworten. Zunächst einmal würde uns natürlich interessieren, wie du deine Texte in Bezug auf die Themenfindung entwickelst? Ich nehme an, du bist auch privat ein politisch interessierter Mensch, aber gibt es als Kabarettist eine besondere, vielleicht sogar stärkere Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und politischen Themen?

Wenn ich kein politisch interessierter Mensch wäre, würde ich dem Beruf des Kabarettisten gar nicht nachgehen. Oder ich würde vielleicht andere Sachen auf der Bühne machen, weniger politische Themen behandeln. Vielleicht hätte ich dann sogar immer noch den Drang auf die Bühne zu gehen, aber ich muss zugeben, dass es schon primär die Themen sind, die mich auf die Bühne ziehen. Natürlich braucht man eine Art Rampensau-Gen, eben diesen Drang zu sagen: „Ich will mich vor Leute stellen und denen etwas erzählen“. Aber wenn ich auf die Bühne gehe, dann will ich etwas Sinnvolles zu erzählen haben. Und das sind dann eben die politischen Dinge, die mich auch privat beschäftigen und dann ist die Bühne natürlich auch ein Stück weit Ventil. Es gibt einfach Sachen, von denen man liest, die einen furchtbar aufregen und dann beginnt die Suche nach der Verarbeitung. Es fühlt sich nicht an, als würde ich mir eine Therapie verpassen, aber das geht manchmal in diese Richtung. Dass ich etwas lese und mich mit gesellschaftlichen Themen näher beschäftige und dann schon das Gefühl habe, dass es gut ist, dass ich darüber schreiben kann und obendrein mit anderen Menschen diese Sorgen teilen kann, statt dass ich mich nur selbst damit beschäftige. Beim Unterschied zwischen der beruflichen und der privaten Beschäftigung ist die Problematik, dass es eben etwas Berufliches für mich ist und ich mich nicht wirklich privat damit beschäftigen kann. Georg Schramm hat mal in einem Interview gesagt, nachdem er seinen Bühnenruhestand verkündet hatte, dass er es genießt, endlich mal wieder eine Zeitung zu lese ohne das im Hintergrund die ganze Zeit ein paralleles Denken stattfindet. Wie kann man dieses oder jenes Thema für die Bühne aufarbeiten, was für eine Nummer kann man daraus machen? Das passiert ganz automatisch. Man liest und gleichzeitig denkt man darüber nach, ob man davon etwas für die Bühne gebrauchen kann. Wie kann man ein Thema noch unterbringen, muss man es auf das nächste Programm verschieben? Zum Teil passiert das eben auch, wenn ich Dinge privat lese oder eben erst recht, wenn ich mich gezielt in Themen einarbeite. Für mein aktuelles Programm, das sich mit gesellschaftlicher Spaltung beschäftigt, habe ich mir natürlich auch gezielt Literatur angelesen. Es ist wahnsinnig spannend sich in ein bestimmtes Thema zu vertiefen, einen eigenen besseren Blick über einen Themenkomplex zu gewinnen. Meist hat man zuvor ja bereits eine Ahnung, vielleicht ein ungutes Gefühl. Die politische Frustration wächst zugegebenermaßen mit der Lektüre oft. Aber gleichzeitig eben oft auch dieser Drang, das Gelesene in einem Programm zu verarbeiten und auf die Bühne zu bringen.

Hast du eine gewisse Routine bei deiner Recherche entwickelt? Man kann ja aktiv auf die Suche nach Themen gehen, die man womöglich privat überlesen hätte, weil sie es nie auf die ersten Seiten der Nachrichten und Zeitungen schaffen beziehungsweise nicht zu den Trending Topics gehören. Wie hat man sich das vorzustellen? Kann man sich dich klassisch morgens durch die – digitalen – Zeitungen blätternd vorstellen?

Nein, eine Art morgendliche Zeitungsroutine habe ich nicht. Wenn ich mich nicht beruflich mit dem Politgeschehen beschäftigen würde, wäre ich sicherlich tagespolitisch auch seltener auf dem aktuellen Stand. Man versucht schon, sich informiert zu halten. Es ist aber selten so, dass ich gezielt nach Themen suche. Die Themen drängen sich eher von selbst auf. Meist bleibe ich an spannenden Teilaspekten hängen und suche dann gezielt nach den Hintergründen. Dabei spielen sowohl Internet als auch klassische Literatur eine Rolle. Was ich seit einiger Zeit nutze, ist ein Newsletter namens Piqd, wo eine Reihe von Leuten Medienberichte empfehlen. Zeitungsartikel, sowohl deutsch- als auch englischsprachig. Das ist angenehm, weil im Gegensatz zu Artikeln in der Facebook Timeline weniger Quatsch dabei ist. Es ist keine algorithmische Berechnung, á la „Nutzer die das interessant fanden, fanden auch das interessant…“, sondern es sind Leute, die dafür arbeiten und Artikel empfehlen zu verschiedenen Themenbereichen. Das kann eine sehr spannende Quelle sein, um auch mal Sachen zu lesen, die man beim Durchblättern der erstbesten Zeitung nicht finden würde.

Welche Anforderungen und Ziele setzt du dir selbst beim Verfassen deiner Texte? Hast du das Ziel eine bestimmte Botschaft mit einem Text zu vermitteln?

Es ist immer so, dass zuerst das Thema da ist. Ich merke manchmal erst im Schreibprozess, was für ein Text das wird. Das Angenehme beim Kabarett im Vergleich zur Comedy sehe ich vor allem darin, dass ich nicht unter Gag-Zwang stehe. Es entscheidet sich manchmal auch erst beim Schreiben des Textes, ob er sehr lustig wird oder ob es eine recht ernste Abhandlung des Themas wird. Da versuche ich beim Schreiben ein Gespür für zu bekommen. Manchmal gibt es dann natürlich Situationen, die an sich schon lustig sind und die Pointen schon fast mitliefern. Da ist es dann klar, in welche Richtung es geht, aber man hat auch mal ein Thema, bei dem man schauen muss, wo der Kern dieses Themas liegt. Wo liegt der Kern der Botschaft, die ich rüberbringen möchte? Und darauf aufbauend, versucht man dann eine Nummer zu schreiben. Die Nummer muss sich bestenfalls immer auf eine Kernbotschaft zurückführen lassen. Es muss im Text immer die Motivation mitschwingen, warum ich mache, was ich mache. Ich möchte keine Texte schreiben, die zwar ganz lustig, interessant oder faszinierend sind, denen es aber spürbar an Substanz fehlt, die ich loswerden will. Dann könnte ich es auch bleiben lassen.